#03 Let’s enlighten 2019

Wieder ein Jahr vorbei und die Bilanzen dürften sehr unterschiedlich sein, auf der einen Seite „das Volk“ der „neuen“ Mächtigen, welche endlich aufräumen mit dem „Ballast der Eliten“, wider Korruption, wider der Menschenrechte der „Falschen“, für das „eigene“ Volk, für die Fleißigen, für die, die für Recht und Ordnung sorgen.

Auf der anderen Seite: Die, die genau diesen Handeln als Überschreiten der Grenze von Menschlichkeit empfinden; denen mehr Überwachung, mehr Polizeipräsenz, vor allem eines ist, weniger Freiheit, weniger subjektives Sicherheitsgefühl, weniger an Errungenschaften von Zivilisation und gelernten Lehren aus Krisen und Konflikten. Mit nur einer Handlung kann alles, was Jahrzehnte an menschlicher Vernunft hervorgebracht haben, im Namen der richtigen Sache, nichtig gemacht werden.

Dazwischen: Die, die schwanken, zwischen Notwendigkeiten einer sich ändernden Welt; Die, die Verständnis, für beide Seiten aufbringen wollen; Die, die einfach in Ruhe & Sicherheit leben möchten; Die, die sich um den Preis der Anpassung ihre Lebensnische geschaffen haben und sich manchmal die Einfachheit von Früher wünschen.

Legitim sind alle diese Ansichten und manchmal wird man sich in jeder dieser Perspektiven selbst wiederfinden. Doch genauso wie jeder von uns sich in diesem Spektrum zwischen Angst, der großen Vision und dem einfachen Leben und leben lassen beständig entscheiden muss oder sich selbst in Passivität gefangen hält, müssen auch Gesellschaften Mittel und Wege zur Orientierung finden.

Gegenwärtig finden wir uns in einer Periode des Bauchgefühls und starker Meinungen wieder. Endlich jemand der entscheidet, handelt, sich für seine Leute einsetzt und den einfachen Weg weist.
Natürlich gibt es Stimmen dagegen, aber die sind alle Fake, nicht nachvollziehbar und müssen unwahr sein, da sie gegen die Sache sind: Gegen unsere Sicherheit, gegen unser Wachstum, gegen unsere Zukunft. Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.
Jedes Wort, jede Geste, jeder Schritt in diese Richtung schlägt eine kleine Wunde in das Kleid unserer Gesellschaft, gewoben aus Erfahrung und Vernunft, schmerzvoll geboren aus Kompromissen, Übereinkünften für eine bessere Zukunft in der wir und unsere Kinder leben wollten. Kein einfacher Weg aus den dunklen Zeitaltern, den Mittelaltern, die jede Kultur durchleben muss/te. Aus Erfahrung erwuchsen kulturelle Grundsätze, manchmal in Religion, manchmal in philosophische Lebensweisen gekleidet; Vernunft, getreu des Mottos nur was mir geschehen darf, soll auch dir widerfahren; Wissenschaft, beruhend auf Daten, systematischer Erforschung der Wirklichkeit und Widerlegung von Thesen – alles Methoden, die uns besser werden ließen; Anstrengungen hervorbrachten, uns trotz Schweiß, Blut und Tränen voran gebracht haben – uns helfen gegen Bequemlichkeit und falsche Götzen & Propheten anzutreten. Kein einfacher Weg in eine Richtung, sondern fortwährende Suche nach Orientierung, gepflastert von Stürzen, Irrwegen, Sorgen und Richtungsstreit. Beschwerlich und vielleicht gerade deswegen erfolgreich.

Wahrscheinlich braucht es hier eine Neuverhandlung, wenn sich so viele unzufrieden damit sehen – nur ist auch hier wie so oft, die einfache Lösung keine Lösung. Wenn jemand Reichtum, Schönheit und Zufriedenheit verspricht, ist es meist eben dies, zu schön um wahr zu sein. Jeder Einschnitt hat Konsequenzen, anfangs vielleicht verschmerzbar, solange man jung und stark ist. Im Alter und in Not ist aber vielleicht genau dieses Netz verloren gegangen, welches wir gebraucht hätten, damit anderswo mehr investiert werden kann. Sicherlich aus mehr oder minder vernünftigen Gründen, manchmal auf Basis von Fakten, manchmal einfach damit Meinungen genüge getan wird. Die besten Verhandlungen führt man, so sagt man, wenn man nicht weiß für wen man verhandelt, denn dann ist man auf Ausgleich bedacht. Aber kann dann die Vertretung nur mancher, gute Entscheidungen für alle treffen?

Ich kenne die Zukunft nicht, auch nicht die richtigen Wege dorthin, dort wo auch immer es ist, aber ich glaube daran, dass man dort hin nur mit Bedacht, Planung und Aufklärung hinkommt – es handelt sich ja nicht um einen Abenteuertrip, sondern um die gemeinsame Zukunft von uns allen. Wer nicht weiß, was auf ihn zukommt, sollte wohl damit rechnen, dass ihm im Prinzip alles geschehen kann, nur dann hat er vernünftig gehandelt.

Entscheidungen über die Zukunft soll man aus Vernunft treffen, auf Basis aller bekannten Fakten und Konsequenzen.
Nicht nur aus Meinungen, die ohne Fakten nur eines sind: Gut oder schlecht erzählte Geschichten – denen man nicht einfach glauben sollte, auch wenn so manche Anekdote noch so eingängig klingt.
Nicht nur aus einem Bauchgefühl heraus, das wir haben um in Gefahr schnell zu reagieren oder bei Kenntnis der Fakten zwischen mehr oder minder gleichwertigen Alternativen zu wählen.
Beides Methoden, die für gesellschaftliche Zukunft einfach nur eines sind: Unzureichend.

Aber klar diese Entscheidungen sind kompliziert und die Methoden moderner Gesellschaften, um handlungsfähig zu sein, findet man in Medien, Wissenschaft, demokratischen Entscheidungsprozessen und struktureller Gewaltenteilung. Nicht zu viel Macht in den Händen der Einzelnen, kritische Berichterstattung und das methodische Suchen nach Wahrheit.
Jeder für sich sollte nun entscheiden, warum genau diese Bastionen heute unter Sturmbeschuss sind, Vertrauen in sie unterminiert werden soll? Welche Geschichtenerzähler profitieren hier und sollte man ihnen vertrauen, nur weil sie sagen, was wir hören wollen? Sie tun auch meist mehr, als sie versprechen – denn Macht muss genommen, gefestigt und verteidigt werden, damit nur der eigene Weg der Richtige bleibt.
Nun kann man immer unzufrieden sein, mit den Entscheidungen, die getroffen wurden und werden. Aber im eigenen Interesse sollte man zuerst immer und vor allem hinterfragen, auf welcher Basis diese Entscheidungen getroffen wurden, das sind wir unserer eigenen Zukunft schuldig. Zukunft sollte ein Resultat eines sorgsamen Umgangs mit Fakten, Abwägungen von Perspektiven und vernünftiger Entscheidungen sein und nicht aus Ängsten befördernden Geschichten geboren sein. Im Prinzip eine einfache Methode, aber ihre Verteidigung und fortwährende Verbesserung im Sinne ihrer Allgemeingültigkeit wird über alles entscheiden.

Bild (CC) Thomas Hays: Stillwater OK Fireworks-4

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